Wie die Digitalisierung der Stromzähler zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann

Die ersten „modernen Messeinrichtungen“ sind installiert / Stufe zwei soll dieses Jahr folgen / Problem ist die Abrechnung.

Von Matthias Schweizer

Wurde bei Ihnen im vergangenen Jahr schon eine moderne Messeinrichtung installiert? Falls ja, dann wurden Sie von uns, den Stadtwerken Rüsselsheim, mindestens drei Monate vor dem geplanten Austauschtermin persönlich angeschrieben. Wenn ja, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie einer der ersten sind, die einen von den bisher sieben Prozent getauschten Zählern in Rüsselsheim am Main erhalten haben.

Wer sich nicht sicher ist, ob er eine moderne Messeinrichtung eingebaut bekommen hat: So sieht der Zähler aus, der in der Regel im Keller oder im Hausflur seinen Platz hat.

Wer sich nicht sicher ist, ob er eine moderne Messeinrichtung eingebaut bekommen hat: So sieht der Zähler aus, der in der Regel im Keller oder im Hausflur seinen Platz hat.

Nach und nach werden wir als Netzbetreiber unserer gesetzliche Verpflichtung nachkommen: Seit September 2016 müssen alle Stromzähler spätestens nach Ablauf der Eichfrist gegen diese neuen Zähler getauscht werden Bisher sind es 2500 Zähler. Diese Austauschaktion kostet Sie nichts zusätzlich und soll im Jahr 2032 für Rüsselsheim am Main abgeschlossen sein.

Falls Sie näheres über die gesetzlichen Regeln, die Begrifflichkeiten und die neue Zählertechnik erfahren möchten, schauen Sie sich doch die anderen sieben Blogbeiträge zu diesem Thema an, die meine Kollegen und ich verfasst haben (eine Übersicht findet sich am Ende dieses Textes).

Was passiert in der zweiten Stufe?

Das Bild zeigt ein Gateway.

Das Bild zeigt ein Gateway.

Der Gesetzgeber hat noch eine zweite Stufe beim Austausch der Zähler vorgesehen. Den Einsatz von Gateways. Dabei handelt es sich um eine Kommunikationseinheit mit integriertem Sicherheitsmodul, die die Messdaten von Zählern empfängt, speichert und diese für Marktakteure aufbereitet. Sobald die Gateways am Markt verfügbar sind, was frühestens im zweiten Quartal 2018 der Fall sein wird, kann die Umrüstung beginnen: Zunächst wird bei Jahresverbräuchen über 6.000 kWh die moderne Messeinrichtung mit diesem Gateway ergänzt und zu einem intelligenten Messsystem aufgerüstet. Dadurch können dann die Messwerte unter hohen Sicherheitsvorgaben online abgerufen werden. Das gilt zunächst für rund 4000 und somit zehn Prozent aller Stromzähler.

Was ändert sich in der Abrechnung?

Bisher wurden alle Stromzähler integriert über die Netzabrechnung an den Stromlieferanten weiterberechnet, so dass ein Teil der genehmigten Netzentgelte im Strompreis für den Endkunden eingepreist war – 13,03 Euro bis 30,40 Euro im Jahr je nach Zählertyp. Das ändert sich für die moderne Messeinrichtung: Nun hat der Stromlieferant das Wahlrecht bekommen, die Kosten wie bisher über seine Stromrechnung an den Verbraucher weiter zu berechnen oder diesen Preisanteil der Stromlieferung zukünftig rauszunehmen.

Im letzten Fall hat dann der Netzbetreiber mit dem Verbraucher den vom Gesetz vorgegebene Preis (20 Euro im Jahr) separat und direkt abzurechnen. Damit bekommt der Verbraucher erstmals zwei Rechnungen von unterschiedlichen Firmen für eine Stromlieferung.

Strom MSB neu Entgeltermittlung

Strom MSB neu Entgeltermittlung

Welche Bedenken gibt es?

Ich sehe diese Wahlalternative für den Stromlieferanten als kritisch an, denn die Rechnung über den Netzstellenbetreiber erstellen zu lassen, hat negative Folgen. Erstens: Es ist zu erwarten, dass der Stromlieferant seinen Strompreis nicht in vollem Umfang um den Messstellenpreis absenkt. Zweitens: Wenn der Verbraucher eine weitere Rechnung für die Messung bekommt, führt nicht zu mehr Klarheit, sondern zu Verwirrung. Drittens: Wenn der Stromlieferant nicht mehr die Kosten für den Zähler mit abrechnet, führt das dazu, dass sein Strompreis nicht mehr vollständig ist und im Vergleich mit anderen Lieferanten günstiger wirkt – was zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.

Was sagen die Stromlieferanten?

Im Stromnetzgebiet Rüsselsheim wurden alle 200 Stromlieferanten angefragt, welche Lösung sie bevorzugen. Der größte Teil (124 Lieferanten) will glücklicherweise weiter integriert abrechnen, so dass der Verbraucher weiter nur eine Rechnung bekommt. Weitere 70 Lieferanten haben sich noch nicht entschieden. Und nur Lieferanten muten es dem Kunden zu, bereits ab 2018 zwei getrennte Rechnungen zu bekommen. Hier die Liste der Lieferanten (Stand Februar 2018), die „moderne Messeinrichtung“ und „intelligente Messsystem“ nicht mehr in ihren Preisen enthalten und dies auch nicht mit dem Verbraucher abrechnen wollen:

  • Goldgas SL GmbH
  • Goldgas GmbH
  • KlickEnergie GmbH & Co.KG
  • NEW GmbH
  • MONTANA Energieversorgung GmbH & Co.KG
  • Energy2day GmbH

Wie fällt das Fazit aus?

Die Digitalisierung der Energiewirtschaft ist richtig und sinnvoll. Doch mit der Wahlmöglichkeit bei der Abrechnung hat der Gesetzgeber sich zu sehr von marktwirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Überlegungen leiten lassen. Leidtragende sind die Verbraucher: Sie können letztlich nicht mehr sicher sein, dass der Strompreis des einen Anbieters problemlos mit dem eines anderen Anbieters zu vergleichen ist. Von daher wäre der Gesetzgeber gut beraten, hier nachzubessern und die Wahlmöglichkeit wieder abzuschaffen. Einfacher und kostengünstiger ist es sicherlich, die Abrechnung wie bisher zu belassen.

Aufstellung der bisherige Blogbeiträge zum gleichen Thema:

  • 25. Juli 2016 | Der lange Weg zum Smart Metering [Artikel lesen]
  • 10. August 2016 | Intelligente Messsysteme [Artikel lesen]
  • 22. September 2016 | Smart Meter – Warum und für wen? Die neue Welt der Energiezähler – Teil 1 [Artikel lesen]
  • 7. Oktober 2016 | Smart Meter – Warum und für wen? Intelligenter Zähler – Die neue Welt der Energiezähler – Teil 2 [Artikel lesen]
  • 19. Oktober 2016 | Smart Meter – was kann der Kunde damit anfangen? Stromverbrauch lässt sich bei Privathaushalt und Unternehmen senken [Artikel lesen]
  • 27. Oktober 2016 | Smart Meter: Die Umsetzung in der Praxis – was erwartet den Kunden? Die Praxis zeigt: Mit Smart Meter lässt sich sehr genau ermitteln, wie viel Strom in welchem Zeitraum verbraucht wird. [Artikel lesen]
  • 7. Dezember 2017 | Generationswechsel in der Messtechnik – Digitalisierung der Energiewirtschaft: „Moderne Messeinrichtung“ löst Smart Meter ab. [Artikel lesen]

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